Deutschland bleibt der Anker der Europäischen Union – auch nach Angela Merkel. Der Weg der wirtschaftlichen und strategischen Integration zusammen mit anderen EU-Mitgliedern ist auch für die neue Regierung eine enorm wichtige Aufgabe.
Nur so kann Europa seinen kollektiven Einfluss und sein Ansehen auf der globalen Bühne vergrößern. Es ist längst ein autonomer Pol auf dem geopolischen, geoökonomischen und geotechnologischen Schachbrett geworden – nicht so sehr verheiratet mit den USA, sondern eher deren Cousin.
Das Engagement im indo-pazifischen Raum spielt in einer europäischen „Grand Strategy“ eine enorm wichtige Rolle. 2019 unterzeichnete die EU ein Rahmenabkommen für die Finanzierung nachhaltiger Infrastruktur mit Japan. 2020 veröffentlichte Deutschland erstmals ein Weißbuch zum Indo-Pazifik. Und in diesem Jahr verkündete EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die „Global Gateway Initiative“, Europas Antwort auf die „Belt and Roads Initiative“, Chinas gigantischem Projekt interkontinentaler Handels- und Infrastrukturnetze.
All das sind Schritte hin zu einer robusteren Eurasischen Strategie, die zu einer multipolaren Welt beitragen werden – nicht zu einer, die von den USA oder China dominiert wird.
Es war ein Irrtum zu glauben, dass sich Chinas 5000 Jahre alte Tradition zentralistischer Herrschaft mit seiner Einbindung in die Weltwirtschaft demokratisieren würde. Aber ökonomisch hat sich China natürlich reformiert. Es ist zu einem staatskapitalistischen Modell geworden, aber eben zu einem autoritären. Und es ist heute ein industrielles und innovatives Machzentrum, das auf qualitativ hochwertige Infrastruktur setzt und einen Wohlfahrtsstaat mit mehr Egalität schaffen möchte. Mit anderen Worten: ein gigantisches Deutschland.
Unter Angela Merkel hielten das deutsche und das chinesische Kabinett mehrere gemeinsame Kabinettssitzungen ab – zu einer Zeit, da China sich noch im Lernmodus befand und vorgab, ein „Entwicklungsland“ zu sein. Die große Aufgabe für die neue Bundesregierung besteht darin, die Macht Chinas einzuhegen, indem Deutschland seine Kooperation mit anderen asiatischen Ländern ausbaut: mit Japan, Australien Indien, Indonesien, Thailand und Vietnam. In diesen Staaten die industrielle Produktion und die strategischen Fähigkeiten zu erhöhen, verringert nicht nur Deutschlands Abhängigkeit von chinesischen Lieferketten.
Es schafft auch zusätzliche Märkte für deutsche und europäische Exporte. Siemens ist in jeder Hinsicht ein vertrauenswürdiger Partner als ein chinesisches Staatsunternehmen, nur müssen die Diplomaten Europas - sowie die Chinesen es schon tun - sich dafür einsetzen, dass sich die Entscheidungsträger in Schwellenländer sich für Qualität und Modernisierung bestimmen statt Merkantilismus und unbezahlbaren Schulden.
Europa kann einen neuen ‘kalten Krieg’ zwischen USA und China nicht verhindern. Doch im Tauziehen um Infrastruktur und Lieferketten genießt Europa starke Vorteile. Europa kann immer noch der Steuermann auf den Seidenstraßen des 21. Jahrhunderts werden – mit Deutschland als treibender Kraft.